Ganzheitliche Notfallorganisation

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Unabhängig davon, ob man dies als „Generationenberater“ oder ohne einen solchen Titel vornimmt, versuchen Vermittler immer häufiger auf Grund eines „ganzheitlichen Ansatzes“ Familien zu beraten. Ein solcher Ansatz kann für den Kunden rechtliche, organisatorische und finanzielle Fragen umfassen. Auch wenn diese ganzheitliche Beratung für den Kunden sinnvoll sein kann, sollte der auf Grund der Brisanz des Themas „Notfallvorsorge“ aufpassen, von wem er welche Leistungen bezieht. Aber auch für den Vermittler stellen sich bei dieser Art der Beratung Fragen, welcher Anbieter für ihn der beste aber auch „risikoloseste“ ist!

 

Rechtliche Vorsorge

Kann ein Vermittler „rechtliche Vorsorge“ leisten und darf er es überhaupt? Schon in rechtlicher Hinsicht können Fragen zum Vorhandensein von Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung, Sorgerechtsverfügung, Unternehmervollmacht und Testament bis hin zu gesellschaftsrechtlichen oder haftungsrechtlichen Fragen bei Unternehmern auftauchen. Auch wenn gerade die Ausbildung zum Generationenberater inhaltlich viel Rechtswissen vermittelt, dürfen Versicherungsvermittler jedoch nie die Grenze von der zulässigen Auskunft bis zur unzulässigen Rechtsberatung überschreiten. Das ist nicht immer leicht abzugrenzen und auch Gerichte in Deutschland haben hier bisher teilweise sehr unterschiedlich entschieden. Rechtsdokumente müssen schließlich auch anerkannt werden, gerade von Behörden, Ärzten und Banken. Es stellen sich vor allem folgende Fragen:

  • Wie erreicht man eine hohe Akzeptanz dieser Dokumente gerade bei Ärzten, die nicht einfach „mal eben“ abschalten wollen und dürfen und auch bei Banken, die oft nur ihre hauseigenen Dokumente anerkennen?
  • Wie kann der Vermittler hier viel Kompetenz anbieten und doch nicht unzulässig Rechtsberatung vornehmen?
  • Und wie verhindert der Vermittler, dass er für seine Handlungen nicht gegenüber dem Mandanten haftet?

 

Organisatorische Vorsorge

Neben rechtlichen Fragen stellen sich den Verbrauchern jedoch auch Fragen, wie man die Notfallvorsorge ganz praktisch organisiert. Es nützt nun einmal kein Notfalldokument, wenn es nicht gefunden wird. Auch die Informationsabläufe im Notfall bei Ausfall des Patienten müssen funktionieren! Hier stellen sich viele Fragen:

  • Wie kommen Rechtsdokumente ohne Zutun des verunfallten Patienten schnell und rund um die Uhr - und das weltweit - in das richtige Krankenhaus?
  • Wie werden diese Dokumente von wem über Jahre aktuell gehalten?
  • Woher weiß überhaupt der behandelnde Arzt, wen er anrufen soll?
  • Wie funktioniert diese Informationskette im Ausland und wer spricht mit dem z.B. griechischen Arzt dann auf griechisch?

 

Medizinische Vorsorge

Notfallleistungen sollten doch aber nicht nur rechtliche Dokumente beinhalten und Telefonnummern abrufen können. Gehören für eine ganzheitliche Notfallorganisation nicht auch gerade medizinische Informationen dazu? Was nützt ein Dokument, wenn der Arzt nicht weiß, dass es ein Bluter ist, der gerade einen Schlaganfall hatte und dem Patienten in Unkenntnis dessen eben - wie häufig in der Praxis - standardmäßig blutverdünnende Mittel spritzt und es zu Komplikationen bis hin zum Tod des Patienten kommt? Hier stellen sich u.a. folgende Fragen:

  • Welche medizinischen Besonderheiten wie Allergien und Unverträglichkeiten oder Krankheiten hat der Patient?
  • Wie ist der Impfstatus?
  • Welche Medikamente muss der Patient regelmäßig nehmen und welche darf er nicht nehmen?
  • Wer ist eigentlich der Hausarzt?

Wenn medizinische Informationen nicht in eine Notfallorganisation einbezogen werden, ist dann diese Notfallorganisation überhaupt „ganzheitlich“? Zusammen mit den sicherlich auch wichtigen rechtlichen Fragen muss doch auch geklärt werden, was bei einer Behandlung medizinisch zu beachten ist und wer wen wann wie informiert! Eine ganzheitliche Notfallorganisation ohne medizinische Daten und klare Abläufe macht wenig Sinn.

 

Testfragen zu den verschiedenen Anbietern

Es gibt inzwischen viele Anbieter, die hier ihre „Notfallleistungen“ anpreisen und um Vermittler als Kooperationspartner werben. Aber bei diesen Anbietern, ihren Leistungen und einem „Risiko“ für Vermittler gibt es gewaltige Unterschiede, die nicht immer klar offen liegen!

Verbraucher sollten sich vergewissern,

  • ob sie wirklich Dokumente mit dem Briefkopf eines Anwalts (oder Notars) erhalten, was die Anerkennung durch Dritte (Behörden, Ärzte und Banken etc.) enorm erhöht
  • welcher Rechtsanwalt die Dokumente wirklich erstellt hat und dass dieser nur dann gegenüber dem Verbraucher vertraglich zur Haftung verpflichtet ist und Gewährleistung geben muss, wenn zwischen dem Verbraucher und dem Anwalt ein eigener Vertrag geschlossen wurde oder der Anwalt dem Verbraucher zumindest schriftlich versichert, dass er ganz konkret gegenüber diesem Verbraucher für Fehler einsteht, denn ohne Vertrag oder individuelle Zusicherung entsteht keine Gewährleistungs- und keine Haftungspflicht des Anwalts - ein Stempel des Anwalts auf Dokumenten ist rechtlich in jeder Hinsicht völlig bedeutungslos
  • welche Hilfen der erstellende Anwalt dem Verbraucher im Fall des Nichtanerkennens durch Ärzte oder Banken etc. gibt
  • ob die anbietende Gesellschaft nur eine 0800er Rufnummer als „Notfallhotline“ vorhält, denn solche Rufnummern sind aus dem Ausland überhaupt nicht anrufbar
  • ob die anbietende Gesellschaft eine echte „internationale“ Hotline besitzt, die vielsprachig besetzt ist oder ob die Gesellschaft nur eine eigene Bürotelefonnummer als „internationale Hotline“ anbietet, was an Irreführung grenzen würde, wenn dann nicht auch vielsprachig und rund um die Uhr reagiert werden könnte
  • ob der jeweilige Notfallservice gerade auch die medizinisch wichtigen Daten vorhält wie Blutgruppe, Unverträglichkeiten, notwendige Medikamente und Alternativpräparate, behandelnde Ärzte etc.

 Aber auch Vermittler sollten prüfen,      

  • ob ihr die mit ihm kooperierende Gesellschaft ihn schriftlich von einer Haftung freistellt oder ob sie ihn nur von einer Haftung für Verschulden der Gesellschaft freistellt, denn für diese hätte der Vermittler sowieso nie gehaftet,
  • wen der Kunde wohl angehen wird, wenn die Dokumente nicht anerkannt werden oder sie Fehler enthalten (wird und kann der Kunde wirklich gegen einen Anwalt vorgehen, wenn er gar keinen Vertrag mit diesem hat? Oder kann der Kunde die Gesellschaft angehen, die doch selber weder die Daten aufgenommen noch die Texte erstellt haben will?). Wer bleibt für den Kunden übrig, wenn Anwalt und Gesellschaft nicht haften?

Der Verfasser, Rechtsanwalt Lutz Arnold LL.M., ist Inhaber der Anwaltskanzlei Arnold mit  Sitz in Berlin und Dresden. Seine Kanzlei (www.anwaltskanzleiarnold.de) ist spezialisiert auf Vorsorgedokumente.

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